Schwarzes Tier Traurigkeit



Wer die Textgrundlage zu Anja Hillings Stück „Schwarzes Tier Traurigkeit“ liest, sehnt den Besuch einer Inszenierung desselben entgegen. Zu episch, zu fetzenhaft scheint die Vorlage für die Bühne. Dies sollte jedoch kein Hindernis für den Schauspieler und Regisseur Markus Wünsch sein. Gut so, denn nun konnte am vergangenen Donnerstag seine Version des Gegenwartstücks am Mecklenburgischen Staatstheater Premiere feiern.
Ein Metallbogen (Bühne: Franziska Just), bestückt mit grünen, roten und weißen Neonröhren spannt sich über die Spieler. Sechs an der Zahl, allesamt Teilnehmer einer Grillparty in einem Waldstück im Hochsommer. Im höchsten Hochsommer. Es wird gelacht, geschwitzt und belächelt. Es wird gestochert im staubigen Waldboden, im Nudelsalat und in Erinnerungen. Es wird getrunken, es wird Nacht und es wird geschlafen, unter freiem Himmel, um das kleine Feuer. Schließlich ist es noch heißer und man erwacht. Das Feuer ist nicht mehr nur zwischen ihnen, es walzt sich durch den Wald. Ein Brand wurde ausgelöst, ein Waldbrand. Minuten braucht es, das zu erkennen. Zum Flüchten ist es zu spät. Dann beginnt eine Odyssee durch das Flammenmeer. Stunden, Tage irren die Partygäste allein, zu zweit allein, zu dritt allein im Kreis. Irgendwann dann die Rettung der Körper. Fünf haben überlebt, aber ausgebrannt sind sie alle, der Umgang damit wird später unterschiedlich heftig sein.
Das sind sie, die schwarzen Tiere. In weiße Unschuld gehüllt, hocken sie in dem vom Metallbogen umspannten Kasten, wie auf einem Seziertisch, und erzählen ihre Geschichte. Sie werden durchleuchtet, erst grün, dann rot, dann weiß. Durchleuchtet bis auf die Knochen oder bis auf die kläglichen Reste derselben. Dieses Licht blendet nicht, wie das Feuer, wie die falsche Sicherheit vor Katastrophen, es blendet schon gar nicht den Zuschauer. Sondern es entlarvt. Und hypnotisiert.
Gebannt folgt man dem Geschehen, vielmehr der Geschichte, denn es geschieht eigentlich nicht viel auf der Bühne. Es wird erzählt und wieder erlebt, mit gekonnt gesetzten Seitenblicken kommentiert und gefühlt. Durch den famosen und besonders grotesk poetischen Text von Anja Hilling spielt es keine Rolle, ob viele Wege auf der Bühne zurückgelegt oder viele körperliche Kämpfe ausgefochten werden. Der Text ist da und füllt den gesamten Raum. Gekrönt wird dies durch die beeindruckende Ensembleleistung der Spieler. Charlotte Sieglin, Jochen Fahr, Anja Werner, Florian Rummel, This Maag und Hagen Ritschel liefern sich einen fulminanten Schlagabtausch. Wie sie ihre Beziehungswirren ausgraben und umbuddeln, wie sie gemeinsam den Wettlauf um den größten Zyniker und den höchsten Ausdruck gewinnen, wie sie das Tempo enorm hoch halten. Dies beeindruckt auf eine Weise, die in Schwerin abhanden gekommen geglaubt war.
Es geht auch um persönliche Katastrophen, die man so nicht erwartet hat, doch der Abend entwickelt sich für den Zuschauer zu einem unerwartet guten. Dass es ein so packender und emotionaler werden würde, damit hatten wohl nur wenige Zuschauer gerechnet.

Anna Wille
02. März 2009

(Verwendung des Flyers für diesen Blog vom Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin genehmigt)

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