Und nächstes Jahr am Ostseestrand














Dörte Rahming (Foto: Uli Grunert)

Das ist ein Gastartikel von Lutz Dettmann, dem Autor von so wunderbaren Büchern wie "Sommertage in Estland", "Wer die Beatles nicht kennt" und "Tiefenkontrolle".

Urlaub, Sonne, Meer, und in der Nacht der von Grenzern bewachte Badestrand. Der Urlaub in der DDR hatte besondere Überraschungen bereit – ob es nun die vertane Zeit in Warteschlangen vor Gaststätten, die schlechte Bedienung, mangels harter Währung in einem ungarischen Hotel, oder das fehlende Ersatzteil für die Rückfahrt im Trabi nach Hause, waren. Der Urlaub zählte trotzdem für die meisten „DDR-Bürger“, ob sie nun Kind, jugendlich oder erwachsen waren, zu den schönsten Wochen im Jahr. Man genoss die freien Tage, erkundete seine kleine Welt und Pioniertuch oder FDJ-Hemd waren schnell vergessen, wenn es nach dem Appell an den Ostseestrand ging, oder man sich mit seiner Urlaubsliebe hinten in den Dünen traf.

Dörte Rahming, gebürtige Schwerinerin, heute in Rostock als Journalistin arbeitend, hat sich aufgemacht, um diese längst vergangenen Eindrücke einzufangen. Sie befragte Freunde, Nachbarn, Verwandte, Zufallsbekanntschaften nach ihren persönlichen Urlaubs- und Ferienerlebnissen, ob es nun mit dem Interzonenzug Anfang der 50er Jahre in den Westen ging, man mit dem Freundschaftszug oder dem Flugzeug die für uns so große Sowjetunion bereiste oder einfach mit Fahrrad und Zelt in Richtung Ostsee aufbrach. Diese Erlebnisse sind innerhalb der Reihe „Unsere Kindheit in der DDR“ im Wartberg Verlag erschienen. Das Buch vereint eine Vielzahl von Erlebnissen, wie wir sie alle erlebt oder erlebt haben könnten. Da wird von der ganz spezifischen Art der Ferien und des Urlaubs berichtet, wie wir ihn seit 20 Jahren nicht mehr kennen. Private Urlaubstagebücher, Briefe, auch nur Kartengrüße oder spätere Erinnerungen vereinen ein Stück Alltagsgeschichte der DDR, das in Vergessenheit gerät. Aufgelockert werden die Texte durch eine Vielzahl von privaten Bildern, Ansichtskarten und Faksimiles. Es ist schade, dass der Verlag seine Serie auf nur 80 Seiten konzipiert hat, sicher hätte das Buch noch umfangreicher erscheinen können.

Dörte Rahming stellte ihre Recherchen vorgestern Abend (24.11.09) im Schleswig-Holstein-Haus vor. Man spürte, dass sie in Schwerin ein Heimspiel hatte. Schnell nahm sie die Gäste auf ihre Zeitreise mit. Da gab es Wiedererkennungsmomente, manchmal auch ein Kopfschütteln oder Lachen. Die Zuhörer, auch Zuschauer, denn die Texte wurden durch die passenden Bilder bereichert, hatten eine angenehme Stunde, in der so manche Erinnerung an eigene Erlebnisse im Urlaub oder im Ferienlager hoch schwangen. Das zeigten die Reaktionen der Zuhörer, auch das Gespräch im Anschluss an die Lesung. Natürlich ist dieses Buch ein subjektiv erzähltes Buch, in der Erinnerung der meisten Erzähler bleiben die positiven Erlebnisse erhalten. Sicher hätte auch von der Ausgegrenztheit eines nicht in der FDJ organisierten Mädchens beim Appell im Ferienlager berichtet werden können, wie eine Zuhörerin einwarf. Aber das ist nicht Ziel dieser Serie, wie die Autorin darlegte. Urlaubszeit – schönste Zeit! Auch wenn man schnell an die Grenzen der kleinen Welt stieß. „Mein schönstes Ferienerlebnis“ war über Jahrzehnte ein beliebtes Aufsatzthema nach den großen Ferien. In diesem Buch findet man viele dieser Aufsätze wieder. Natürlich wurde der im ersten Satz erwähnte Grenzer damals ausgespart. Heute kann man ihn in einem Beitrag in diesem Buch finden.


Dörte Rahming, „Und nächstes Jahr am Ostseestrand“, Wartberg Verlag 2009, ISBN 978-3-8313-2044-8

Lutz Dettmann

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