Andreas Altmann war in der Stadt. – Andreas Altmann?



Es gibt Autoren, die sind bekannt, haben Preise und Stipendien bekommen, etliche Bücher geschrieben, die auch gut gekauft wurden und sind doch fast unbekannt – jedenfalls in Schwerin.
Zu ihnen gehört Andreas Altmann, der Reiseschriftsteller, wie er auch in den Medien genannt wird, (Er hasst diese Klassifikation, aus gutem Grund.), er war am 22.04. in der Stadt und las, etwa 40 Zuhörer waren gekommen. Diejenigen, die kommen wollten und dann doch zu Hause blieben, sei vorab gesagt: „Ihr habt etwas versäumt…“
So sehen keine Reiseschriftsteller aus, dass sieht man sofort, als er in den Saal kommt und von Frau Wils anmoderiert wird. Sein Gesicht wirkt trotz der Lebenslinien jugendlich. Hager, mit einer undefinierbaren Mütze auf dem Kopf, ein kleiner Zopf lugt hinter ihr hervor, weite Jeans und Lederjacke. So wirken eher Tramps oder Anhalter. Altmann will lesen, man spürt dies, als Frau Wils seine Vita anreißt: Dressman, Student, Anlageberater, Nachtwächter, Sraßenbauer, auch Schauspieler. So richtig wohl, scheint er sich bei der Aufzählung seiner Tätigkeiten nicht zu fühlen. Er mag wohl keine Laudatio. Den ehemaligen Schauspieler spürt man noch immer, als er sich vorstellt. Rhetorik beherrscht er, kokettiert aber nicht mit der alten Berufung, Altmann stellt sein neues Buch vor: „Sucht nach Leben“. Und er nimmt seine Zuhörer mit in seine Welt, die auch unsere Welt ist, auch wenn wir zu den Daheimgebliebenen zählen. Denn Altmann liegt diese Welt am Herzen und die Menschen, die er auf seinen Unternehmungen trifft. In der nächsten Stunde sind wir mit ihm auf seinen Reisen, lernen die Normalität des Alltags kennen, wenn wir mit ihm in seinem Pariser Straßencafé (Altmann wohnt seit einigen Jahren in Paris.) sitzen und lauschen, wie er über die Pariser und Pariserinnen erzählt und steigen wenige Minuten später in die Hölle, wenn er von den mit Säure entstellten Mädchen und Frauen berichtet, die von verschmähten „Liebhabern“ zeit ihres Lebens entstellt und dahin siechend, in einer Krankenhausabsteige in Dhaka vegetieren. Spätestens hier erkennt der Zuhörer, dass Altmann kein Reisejournalist ist, der durch exotische Städte läuft, um Sehenswürdigkeiten oder Seltsames zu entdecken, um dann in einem klimatisierten Abteil mit einer kühlen Flasche Bier über das Land zu resümieren. Altmann ist an den Menschen, er beschreibt sie und er leidet auch mit ihnen, nimmt Anteil an ihren Schicksalen, ohne dabei sein journalistisches Auge zu verschließen. Und er kann schreiben! Nimmt den Zuhörer gefangen, auch den Leser. Altmann will seine Zuhörer an diesem Abend nicht schockieren. Auf und Ab geht es durch sein Buch, mal humoristisch, wenn er die Besuche bei drei indischen „Sexologen“, die seine angebliche Schwäche heilen wollen und begnadete Halsabschneider sind, beschreibt, dann wieder betroffen machend. Uns geht es so gut, und wir jammern doch. Altmann gibt diese Botschaft versteckt an uns weiter, ohne missionierend zu wirken. Aber man wird nachdenklich, wenn man seine Geschichten hört. Frank Altmann liest eine gute Stunde, die auch 120 Minuten hätte lang sein können. Und dann, nach anfänglichem mecklenburgischem Zögern wird auch noch eine Stunde gefragt und ausgiebig geantwortet. Altmann hat nicht nur geschriebenen Wortwitz und Geist, ihm scheint es Spaß zu machen, mit den Zuhörern zu spielen. Er hinterfragt, kommentiert die Fragen. Es ist schon nach 22.00 Uhr und noch immer stehen einige Fans (auch dieses Wort wird er nicht mögen) bei ihm, lassen ihre Bücher signieren und reden. Altmann sieht sich als Reporter, Reiseautor und Schriftsteller. Er ist auch ein charismatischer Mensch.
„Das Altmann-Fieber scheint sich in Schwerin noch in Grenzen zu halten.“, hatte er mit einem Blick auf die freien Stühle zu Beginn der Lesung lakonisch bemerkt. Ich bin mir sicher, dass das Altmann- Fieber bei seinem nächsten Besuch schon stärker ausgetreten ist. Denn der Abend im Schleswig-Holstein-Haus wird sich herumsprechen, dafür hat Andreas Altmann mit seiner angenehmen Art und seiner Kunst des Schreibens und Lesens gesorgt.
Für Leute die nicht dabei waren und nun neugierig geworden sind:
Sucht nach Leben- Geschichten von unterwegs.“
Dumont Verlag, ISBN 978-3-8321-9500-7
Besonders empfehlen möchte ich auch 34 Tage/33 Nächte.

Lutz Dettmann

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